Der Schweiß mischt sich mit meinen Tränen und rinnt mir über die Backe,  in meinem Mund ist ein fahler Geschmack aus Kaffee, Cola und Zigaretten. Es ist der 10.08.2020, ich befinde mich im Uniklinikum-Köln auf dem Weg zur Steffi. Ein letztes mal werden wir uns heute physisch begegnen.

Mein damaliger Zustand lässt sich schwer beschreiben. Irgendwie war ich ganz bei mir, ganz in der Gegenwart. Ich nahm alles absolut Bewusst wahr. Die Trauer und der Schmerz waren noch nicht ganz in meinem Verstand angekommen. Wellenartig überkamen sie mich in manchen Momenten. Dies wird mich noch lange begleiten und diese Akzeptanz war und ist sehr wertvoll. Da gibt es nichts zu verdrängen. Nichts zu beschönigen. Nur die Tatsache das Steffi sterben wird und für mich ein völlig neuer Lebensabschnitt beginnt. So stand ich an ihrem Bett und wir unterhielten uns nochmal ganz lange. Ich streichelte Ihren Kopf und wir kommunizierten auf eine Art die mir Gänsehaut machte. Ich hörte sie in meinem inneren, als würde sich ihre Seele gerade Stück für Stück in einen neuen Zustand transformieren. Was sie gewiss auch tat, für mich ist eigentlich mittlerweile klar das dies passiert beim Sterben. „Du musst jetzt nicht mehr Kämpfen, ich werde es für dich tun“ war einer der Sätze dich ich zu ihr sagte. „Nimm Phileas zeig ihm die Welt, gehe auf Reisen und zerbrich nicht an meinem Tod“ hörte ich innerlich ihre Stimme. Klar, kann man nun sagen das sind meine Gedanken und Erinnerungen, welche in dem Moment dafür verantwortlich waren. Für mich fühlt sich das anders an, und das zählt schlussendlich.

Ich küsste Sie noch unzählige mal. Dabei zuckte Sie einmal ganz plötzlich. Mehr muss ich nicht sagen. Ihr Geruch war mittlerweile fast verflogen, sie roch nur mehr nach Medikamenten. Jeden Tag an dem sie dort lag, ging ein bisschen mehr von Ihr dorthin zurück wo wir herkommen. Alles andere löst sich auf. Auch in mir löste sich vieles auf. Das Leben was wir zusammen gehabt haben, all die Erinnerungen, Gefühle und Empfindungen. Das innere Band der Partnerschaft, stirbt mit. Dann liegt dein inneres brach vor dir. Da gibt es kein Ego, keine Person mehr. Nur die innere Existenz. Das was du bist. Nackt und ungeschminkt. Ich bin Dankbar das ich doch schon lange eine Verbindung zu mir habe. In der Qualität allerdings kannte ich das noch nicht.

Oftmals habe ich in meinem Leben schon gehört. Ich sei ein positiver Mensch und strahle Ruhe aus. Selbst nimmt man das ja oft gar nicht so wahr. Das ich überwiegend positiv denke, war mir aber  durchaus bewusst. Allerdings überspielte ich damit immer wieder auch mal meine Ängste, oder negativen Gedanken. Und dann resultieren daraus Charakterzüge die man eigentlich gar nicht möchte. Zum Beispiel ist man Unfair oder Überheblich zu anderen. Man könnte sagen man mimt den „coolen“. Doch eigentlich versteckt man nur seine eigene Angst oder Unsicherheit. Im Falle der Ohnmacht, im Angesicht des Todes wird das alles bedeutungslos. Es kommt auf deinen Kern an. Diesen Kern habe ich durch Steffis Tod entdeckt.

So führte ich ein sehr offenes und tiefes Gespräch mit der leitenden Oberärztin welche Steffi auch betreute. In der Sie mir unter anderem sagte, „Es ist bemerkenswert, wie Sie mit dieser Situation umgehen, bleiben Sie auf diesem Weg“. Sie hat mein inneres bewertet, nicht meine Person. Denn so stand ich da. Ohne jegliche Absichten, was wer wie von mir halten könnte. Ich entdeckte eine Stärke, ein inneres Licht in mir. Welches ich nun anfing zu verstehen.

In den immer wiederkehrenden heftigen Momenten der Trauer, lass ich den Schmerz voll und ganz zu. Diese dunklen Stunden sind so intensiv das man einfach mit Weinkrämpfen da liegt und nichts weiter tun kann. Jeder Winkel in der Wohnung, das ganze Leben ist voll mit Erinnerungen. Es muss raus. Ich bin der Meinung dass man den Schmerz einfach leben muss um mit ihm umgehen zu können. Immer wieder aufs neue. Das Negative darf in mir genauso leuchten wie das Positive. Dann hebt es sich gegenseitig immer wieder auf.

 

Mit der Zeit lernte ich das Trauer sich nicht immer absolut schrecklich anfühlen muss. Manchmal höre ich Abends ganz gezielt Lieder die ich mit Steffi verbinde. Zu denen wir beide wundervolles erlebt haben. Dann schließ ich die Augen und tanze weinend mit einem Lachen im Gesicht durch die Wohnung. Ich sehe Steffi wie Sie mit mir tanzt, ihre Seele. Dann bekomme ich eine Gänsehaut die Minutenlang bleibt. Es fühlt sich dann an als ob sie mich gerade streicheln würde…….und ich denke genau so ist es auch. Das ist dann weder positiv noch negativ, es ist einfach Liebe. Liebe die der Tod nicht nehmen kann. Genau so wenig wie das innere Licht.

 

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