Auf dem Flur höre ich einen Schlüssel klappern, ein Tür schließt sich. Ich öffne meine und vor mir steht mein Zimmernachbar. Ein junger Mann geschätzt Mitte Dreißig. „Hey, schön den Mensch nebenan mal kennen zu lernen“ sagt er. „Gleichfalls, bin der Max“. Es folgt ein kurzer Austausch und wir merken, dass wir uns wohl ziemlich gut verstehen könnten. Nicht zuletzt weil er mich nach ein paar Minuten Gespräch frägt „Kennst du Wim-Hof?“ ,“Klar, ich mach die Atemtechnik gerade täglich“ Der junge Mann heißt Tim, ebenfalls Witwer, lebt mit seiner 1,5 jährigen wundervollen Tochter in Berlin und stammt aus den Niederlanden. Wir werden zu „Leidensgenossen“ auf Kur, in der ich mich im Dezember letzten Jahres befand.

Im Spätsommer 2021 hing ich in den Seilen, Panikattacken, Angst, Schweiß und Herzrasen. Zwar noch nicht im heftigsten Ausmaß, aber das reichte mir schon. „Klar Max ist ja auch verständlich in deiner Situation“. So einfach ist es aber dann doch nicht. Denn die Trauer allein ist nicht schuld daran, die ist erstmal neutral. Es geht darum in welche Umstände mich der Verlust von Steffi gebracht hat. Wie man dem ganzen Begegnet und wo Verdrängung anfängt. Wir alle werden als Kind oder im Lauf des Lebens geprägt und lernen mit Trauer, Schmerz und Angst umzugehen. Meine Strategien kannte ich gar nicht so recht. Wie auch? Jetzt erkannte ich sie und einige davon waren nicht die besten. Vielleicht waren sie sogar relativ normal. Ich denke viele Menschen entwickeln Mechanismen um ihrer Angst, ihrer Trauer und ihrem Schmerz nicht bewusst zu begegnen. Stark sein, anpassen, weitermachen und sich unterschiedlichste Ventile im außen suchen um dieses merkwürdige Gefühl was da schlummert wegzudrücken. Ging mir doch nicht anders. Wobei ich bereits in den eineinhalb Jahren viel, sehr viel darüber gelernt habe und von Anfang an die Trauer angenommen habe und mich nackt vor sie hingestellt habe. Die alten Strategien greifen dann doch wieder, allerdings funktionieren sie nicht mehr. Die Trauer und der Verlust ist ein Verstärker für all die Gefühle die in einem Wohnen. Die Wahrnehmung verändert sich und ich beginne Eigenschaften an mir zu erkennen, welche lange im verborgenen lagen. Ich gehe sie an, bewusst wie nie zuvor. Dieser Tage denke ich oft an den Satz aus Rainer Maria Rilkes Gedicht. „Es handelt sich darum, alles zu leben. Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich, ohne es zu merken, eines fremden Tages in die Antworten hinein“

Heute, aktuell geht es mir gerade wieder gut. Ohne körperliche Symptome. Weil ich noch achtsamer geworden bin. Eine tägliche Übung. Meditation, Yoga, Wim-Hof Atmung und Kälte sind zudem meine nun schon bekannten und bewährten „Tools“ gegen den Stress, die Belastung, die Trauer und dem Schmerz. Wobei es weniger ein „gegen“ sondern vielmehr ein loslösen dessen ist. Weniger Kampf, mehr Leichtigkeit.

Öfter hat man mich in meiner Situation gefragt „Machst du eine Therapie?“. Ich bin offen dafür, doch habe ich zum einen das große Glück viele Antworten intuitiv in mir auch ohne herkömmliche Therapie zu finden und zum anderen brauche ich keinen Therapeuten der mich in fünf Sitzungen und Medikation fit kriegt um in einem kranken System wieder zu funktionieren. Was mich wiederum zu einem schwierigen Fall macht.  Ich habe Gespräche geführt mit Psychologen und Therapeuten und war und bin nach wie vor bereit mich in eine Therapie zu begeben, aber finde mal etwas passendes. Der Ärztin auf Kur erwiderte ich auf die Frage „Warum sind Sie hier?“, „Naja wissen Sie, ich möchte die Zeit für mich und meinen Sohn nutzen es ist ein wichtiges Element in der aktuellen Phase. Aber eigentlich wäre das beste für mich ein Meditation-Retreat in Thailand oder Indien“. Sie antwortete Augenzwinkernd „Dies kann ich gut verstehen, wir können jetzt allerdings nicht so lange Sprechen, da noch weitere Patienten warten“.

So lebe ich mehr und mehr in meine Antworten hinein. Was ich und wir brauchen ist, ein lebendiges, harmonisches, abenteuerliches, wildes, außergewöhnliches Leben in Verbindung, Liebe, Hingabe und Freude. In Gemeinschaft mit wunderbaren Menschen und am besten an unterschiedlichen Orten. Da gibt es auch Probleme und Trauer und Schmerz, doch es wird weniger zu einem alles einnehmenden Gefühl. Der Kontakt zu Tim hat mir abermals gezeigt, was wir brauchen. So schreiten wir nun in das neue Jahr und werden in den kommenden Monaten Umziehen. In eine kleine Wohnung in ein kunterbuntes, lebendiges charmantes Haus mit einer weiteren Familie, als Gemeinschaft. Bis wir im Sommer mit dem Camper losziehen, zunächst für ein Jahr. Ich freue mich, wie schön dies behaupten zu können……

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2 Kommentare

  1. Hallo Max, ich würde Dir sehr gerne persönlich mal eine Nachricht schreiben, ich finde mich in Dir wieder…In vielem was ich erfahren und erlebt habe und gerade erlebe…ich bin Lisa und lebe auch im Schwabenland.

    1. Hallo Lisa, das freut mich sehr zu hören. Danke für deine Worte…… In den Austausch mit Menschen wie dir zu kommen ist sicherlich auch ein Anliegen meinerseits……ich schicke dir eine Nachricht auf deine Mail Adresse. LG

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