Müde, erschöpft, aber glücklich saß ich Ende März den ersten Abend in unserer neuen Wohnung. Atmete tief durch, und bemerkte zum ersten Mal nach all der Zeit, dass ich nun wahrlich im neuen Leben angekommen bin. Vorbei die Zeiten im Museum, welche für mich aber unabdingbar waren. Schließlich kann man in einem Museum bekanntlich vieles Lernen, doch sollte man den Moment nicht verpassen, wenn es schließt, um nicht darin gefangen zu sein. Die alte Wohnung, die letzte in der wir gemeinsam lebten – nicht mehr da.

Ein abenteuerliches Jahr steht uns bevor, ein selbstgewähltes. Der neue Camper vor der Haustür. Vergangenen Herbst habe ich mir vorgestellt was kommen sollte, was ich vom Leben fordere, um nach vorne zu gehen. Nun befinde ich mittendrin in der Veränderung, mit Menschen und Momenten, die mich gerade finden, weil ich tatsächlich die Basis geschaffen habe, in denen sich dies kreieren kann.

Neuanfang, gewollt aber dennoch plötzlich und unerwartet.

 

Mitte April, auf dem Weg nach Italien. Die erste Reise mit unserem neuen Camper „Hensel“ oder wie Phileas sagt „Edelstein-Hensel“. Der Diesel knattert, es riecht nach Freiheit. Ein Vorgeschmack auf das was ab August kommen wird. Es fühlt sich verdammt gut an. Pure Lebendigkeit. Vergangenes Jahr drückte die Trauer noch so stark auf die Seele, beim Reisen auf besondere Art und Weise. Einsamkeit erschlich mich, beim Entdecken neuer Orte und dem gewissen darüber, all das erlebte mit niemanden mehr teilen zu können. Wie heißt es in dem Film „Into the Wild“ nochmal: „Glück ist nur echt, wenn man es teilt“ Die Erinnerungen überschatteten die Gegenwart, und hinterließen ein eisiges Gefühl auf meinem Herz. Heute sitze ich am Gardasee in Sirmione und schaue auf das andere Ufer hinüber, nach Cisano. Dort haben wir 2019 eine schöne gemeinsame Zeit verbracht.

Ich erinnere mich gern, doch entsteht daraus nicht mehr jedes Mal ein stechender Schmerz. Es hat sich was verändert. Ich bin nicht mehr da – ich bin vollkommen hier.

 

Während den Tagen in Italien erlebte ich einen sehr intensiven Traum, in dem ich Steffi begegnete. Sie war plötzlich wieder da. Jedoch völlig abgekämpft und entkräftet. Als hätte sie den Hirnschlag mit schweren bleibenden Schäden überlebt. Eine Art Abbild meines fahlen Anhaftens an Vergangenem und der traurig müden Seele.
Ich redete mit ihr in diesem Traum. War verblüfft, verwirrt und erschrocken, dass sie auf einmal wieder da ist. Sie wollte immer Antworten doch bewegten sich nur ihre Lippen. In ihrem Ausdruck nahm ich jedoch folgenden Satz wahr: „Lass mich gehen, ich sehe euch geht es gut, lebt – ich bin nicht mehr da“. Tagelang sinnierte ich über dieses Traumerlebnis und erkannte darin für mich, die innere Veränderung. Das Ankommen in der vollen Akzeptanz über ihren Tod. Loslassen -nicht mehr da.

 

Vor dem Umzug in die neue Wohnung, lag ich auf Matratzen in den leeren Räumen der alten und las Paulo Coelho „Der Alchimist“. Viele werden das Buch kennen. Ein wichtiges übers Leben. Einige Situationen darin kamen mir aus meinem Leben bekannt vor. Auch damit werde ich nicht allein sein. Dem Traum folgen. Dem eigenen Lebensplan. Unbeirrt dessen, was einem auf dem Weg begegnet. Dabei dachte ich an mein Vorhaben, große Reise, an all die Selbstzweifel und kleinen und großen Hürden. Erkannte, dass dies genau richtig ist. Es gehört dazu. Früher hätte ich mich viel eher davon abbringen lassen, von meinem Weg. Das hat sich verändert. In Coelhos Buch begegnet Santiago auf seinem Weg, seinem Lebensplan, einer Wüstenfrau. Er verliebt sich doch muss er seinem Traum folgen, muss weiterziehen.

Ein wenig ironisch schmunzle ich darüber. Denn als ich umzog, trat plötzlich eine neue Frau in mein Leben. Wie heißt es so schön „Das Universum präsentiert einem die Dinge nicht wie man sie gerne hätte, sondern so wie man sie braucht“. Mir war zu beginn nicht klar, ob ich emotional, innerlich, im Herzen wieder bereit bin für jemanden.Doch weil ich bei ihr, ich sein kann, wurde mir schnell bewusst, auch das ist genau richtig. Da können und dürfen wieder Emotionen sein, welche ich gar nicht mehr kannte – Verliebt sein. Neuanfang. Ein wunderbarer Mensch, eine umwerfende Frau, eine schöne Seele, Namens Liv (Leben) erkennt sich in mir und ich in ihr. Hätte ich so niemals erwartet oder gefordert. Es hat sich gefunden – unser Sein. Dieses zusammen sein, fühlt sich normal-unnormal natürlich an. Einige Worte müssen manchmal gar nicht ausgesprochen werden, ein Blick reicht, um den anderen zu verstehen. Besonders wertvoll, dass auch für Phileas die Situation wundersam schön ist. Da darf wieder eine andere Vertrauensperson sein, die Mama soll und kann nichts ersetzen. Darum geht es nicht. Da ist jemand neues. Geradezu symbolhaft kommt mir manchmal das neue zusammen sein im Hinblick auf Phileas vor. Da kann wieder wahre Freude und Glück sein, Vertrauen in das Leben und in sich selbst. Hier und Jetzt – Liebe. Das strahlt auf ihn ab und er nimmt es an. Kann sich innerlich öffnen und darf auch feststellen das er bereit dazu ist. Auf seine Weise. Beim ersten Kennenlernen mit Phileas, meinte er nach dem Verabschieden zu mir „Wann sehen wir die Liv wieder, morgen?“

Umso schöner noch, zu sehen und zu spüren, wie behutsam, gesund, klar, Respekt – und Liebevoll Liv damit umgeht. Unglaubliche Wochen erleben wir gerade. Fühlt sich manchmal an als könnten wir zusammen ein Stückchen Zeit stehlen, sie anhalten und vergessen. Dankbar über die Momente, welche wir erleben und bereits erlebt haben. Auch Unterwegs im „Hensel“, weil sie das ebenfalls feiert. Entdecken viele Gemeinsamkeiten und spannende Differenzen. Fühlen uns verbunden in unserem ungeschminkten Seelenleben. Echt verrückt, wie das Leben spielt. Ein tragisches, atemberaubendes, bittersüßes, unbeschreibliches Spiel. Und darin fühl ich mich gerade sehr lebendig, mit allem guten und schlechten, mit dem traurigen und dem freudvollen. Stell mich in die Mitte des Spielfeldes und versuche es, komme was wolle. Dem schönen zugeneigt, wieder.  

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