Neben meiner Trauer möchte ich heute mal ein klein wenig darüber berichten wie ich die Trauer von Phileas begleite, ihr begegne und was sie mit mir macht. Von Anfang an habe ich den Kontakt zu einer Trauerbegleitung für Kinder gesucht. Was auch ein richtiger Entschluss war. Denn mit meiner eigenen Trauer weiß ich ganz gut umzugehen und spüre auch was mir gut tut und wie ich mich selbst therapieren kann. Die Trauer eines anderen im speziellen eines Kindes zu begleiten ist dann aber doch sehr abstrakt und eine zusätzliche Herausforderung. Da ist die Hilfe von außen doch sehr hilfreich. Wobei ich bisher nicht das Gefühl hatte, völlig überfordert mit der Situation zu sein, zweifelt man doch immer wieder ob man das richtige macht. In den Gesprächen mit der netten Dame der Trauerbegleitung wurde mir immer wieder bestätigt, dass keiner als ich besser weisa und verstehe, was denn nun richtig ist für Phileas. Und ich mit ihm auf einem guten Weg bin. Allein das ist dann schon Hilfe genug.
Jedes Kind ist anders, jede Trauer ist anders und da gibt es nun mal keinen ganz konkreten Leitfaden. Dabei wurde mir einmal mehr bewusst dass dies neben dem ganz spezielle Thema „Trauer“ auch grundlegend für den Umgang mit Kindern ist. Sicherlich gibt es manche Methoden, und Situationen die man verallgemeinern kann. Aber selbst darin gibt es nicht nur Schwarz und Weiß. Anstatt zu überlegen was wir unseren Kindern bieten wollen, was wir ihnen anerziehen sollten, was sie lernen müssen. Ist es doch viel wichtiger, sich beispielsweise zu fragen, was will mein Kind? Wer ist mein Kind? Was braucht mein Kind gerade? Das zu erkennen ist gewiss nicht immer leicht.
Im Buch „Vom Sinn und Leben“ von Laotse, stolperte ich über den Satz „Im Wirken verweilen ohne zu handeln“. Er beschäftigt mich seit dem sehr. Und gerade im Umgang mit Phileas und unserem besonderen Weg, hat er mir immer wieder geholfen. Durch den enormen Verlust den wir erlitten haben, bin ich sehr aufmerksam geworden was seinen seelischen Zustand betrifft. Wie ich schon erwähnte, äußert sich seine Trauer häufig in heftigen Wut- und Zornanfällen. Er schlägt mich oder benimmt sich „daneben“. Ein Schrei nach Liebe. Und genau die bekommt er dann auch. Ich könnte versuchen ihm alles hundertmal zu erklären, dann bewegt man sich im Handeln. Doch meist nehme ich ihn dann einfach, sage gar nichts, beruhige ihn und biete ihm an zu spielen oder in die Natur zu gehen. Lebe ihm vor was Liebe, Trauer, Zuversicht oder Wut bedeutet, das wirkt. Dann kommt man ins wirken und vorleben. Ich gebe ihm Orientierung und es ist okay, wenn er seine Emotionen einfach auslebt. Würde ich schimpfen und versuchen ihn dahingehend zu erziehen, würde ich mehr zerstören als aufbauen.
Dabei ist mir aber immer mehr aufgefallen, dass dies nicht nur in dieser speziellen Situation wohl das richtige ist. Auch in anderen Bereichen beim „erziehen“ der Kinder. Wobei ich das Wort „erziehen“ immer befremdlicher finde. Es geht doch viel mehr um das begleiten, das Vorleben und unterstützen. Karl Valentin sagte einmal „Erziehung, das bringt nichts, die machen einem eh alles nach“.
Ich will damit nicht sagen, dass Phileas alles darf und ich für ihn keine Autorität bin. Nein, gewisse Dinge gehen einfach nicht. Wie zum Beispiel den ganzen Tag Süßigkeiten Essen, Fernsehen schauen und Leute beleidigen oder mich hauen. Wenn man hier kontrollierend eingreift lässt sich das für mich viel mehr als „Fürsorge“ als „ Erziehung“ beschreiben. Natürlich habe ich auch meine schwachen Momente, in denen ich einfach mit Phileas schimpfe, oder ungerecht bin. Doch fällt es mir hinterher fast immer auf und ich denke mir, das hätte sich auch anders regeln lassen. Wenn man sich aufregt hat das ja in erster Linie immer mit einem Selbst zu tun.
Und was wollen wir unseren Kindern denn Erziehen? Wie man richtig isst. Sich benimmt. Das es absolut wichtig ist Systemkonform zu leben? Ich denke, dass auch hier, das Vorleben besser ist. Als ständiges belehren und der Versuch zu erziehen. Wir dürfen auch nicht vergessen das Kinder noch außerhalb des uns bekannten Systems Leben und sich oftmals viel besser kennen als wir uns selbst. Wir hatten alle mal die Fähigkeit und haben sie irgendwann verloren, meistens zumindest. Manche finden sie wieder oder wurden nicht total verbogen durch unser System aus Kindergarten, Schule und der ach so wichtigen Leistungsgesellschaft. Wenn im Kindergarten die Freundschaftsbücher rumgehen, dann ist dort immer die Frage aufgeführt „Was willst du mal werden?“. Dann wird dies häufig mit Feuerwehrmann, oder anderen Berufen beantwortet. Doch wir sind doch schon so viel sobald wir in diese wunderbare Welt geboren werden. Wir sind ein Wunder. Und wenn wir unseren Kindern den Raum geben dieses Wunder zu entdecken, zu erfahren. Dann wissen sie auch später was sie wollen und können selbstbewusste, offene und kreative Menschen werden. Ich möchte das hier nicht verallgemeinern. Und ich will auch nicht sagen das in unserem System, sei es das Schulsystem oder die Arbeitswelt alles schlecht ist. Doch sollte man den Mut besitzen vieles in Frage zu stellen.
Durch das schreckliche Ereignis von Steffis Tod. Brachte es mich unweigerlich zu der Frage wer ich denn überhaupt wirklich bin? Was sind denn meine Werte, und nicht die welche mir anerzogen wurden. Wenn man solch tiefen Schmerz erfährt dann liegt der wahre Kern ganz offen vor einem und man hat die Chance ihn wahrhaftig zu erkunden. Und im Umkehrschluss brachte es mich auch zu der Frage, welche Werte ich denn Phileas weiter geben möchte? Werte wie, Liebe, Zeit, Respekt, Mut, Vertrauen, Fürsorge oder Selberkenntnis, haben sich für mich raus kristallisiert.
Und dann dürfen wir bei all dem nicht vergessen, was wir von Kindern lernen können. Nämlich jede Menge. Ohne das sie irgendetwas tun. Sie müssen nur sein. Das empfinde ich zumindest so. Es gab einen Moment der das gut beschreibt. Ich weinte gerade und Phileas bekam es mit. Er fragte „Warum weinst du?“ Daraufhin ich „Nun, weil ich die Steffi-Mama vermisse, es ist völlig okay und normal das man dann mal weint oder traurig ist“ Dann sagte er „Ich muss nicht weinen, du auch nicht. Wir haben die Mama doch in unserem Herzen“ Dem sei nichts hinzuzufügen.