Ich öffne den Kleiderschrank, nehme ein paar von Steffis Klamotten in die Hand, welche ich noch von ihr aufbewahre. Räume sie in einen Karton für den bevorstehenden Umzug. Nach dem sie gestorben ist, habe ich ein paar wenige ungewaschene behutsam in einen Sack verpackt. Ich rieche daran, was ich nur manchmal mache. Dann steigt schleichend der mittlerweile so bekannte Schmerz in mir hoch. Kurze Zeit später liege ich mit einer Mischung aus Trauer, Wut und Schmerz weinend und schreiend auf unserem Bett. Diese starken Ausbrüche der Trauer werden weniger, doch sind sie natürlich immer noch da und auch so unwahrscheinlich wichtig. Es muss raus. Gegen Trauer hilft eben nur trauern. Wenn man da etwas Verdrängt, was ich auch immer wieder mal gemacht habe. Unterbewusst, ganz automatisch, weil es so viel Kraft kostet und man einfach nicht mehr Weinen will. Dann kommt es auf andere Weise aus dir raus oder noch viel schlimmer, steckt in dir fest und macht dich krank.
Bei mir kommen oder kamen diese Phasen ziemlich unterschiedlich und abwechselnd. Verlass ich diesen Pfad, werde ich durch die Trauerphasen geschüttelt wie ein Schiffsbrüchiger auf hoher See. Von Anfang an habe ich Steffis Tod akzeptiert, dennoch einen Teil geleugnet, doch das merkt man zu beginn nicht. Das volle Ausmaß kann man noch nicht absehen. Gewiss auch eine Form von Selbstschutz. Wie soll man auch eine so tiefgreifende Veränderung überblicken können? Es braucht Zeit. Den Tod und vor allem das Leben, ohne Sie allmählich wirklich zu akzeptieren. Dazwischen kam ganz viel Wut, Trauer und tiefste, dunkle, depressive Phasen.
Der Schmerz kommt und geht, die Akzeptanz kommt und geht, das Leugnen kommt und geht. Was aber hat mir dabei geholfen, was verschafft mir Heilung? Wie schon öfter erwähnt ist es bei mir seit Minute eins – Spiritualität. Sich den Moment bewusst machen, Gegenwärtig sein. Das Leugnen, die Trauer, der Schmerz, die Akzeptanz beobachten. Mein Glück ist, dass ich dies intuitiv gemacht habe und es inzwischen zu einer täglichen Übung kultivieren konnte.Ich habe gelernt auch damit sehr bewusst umzugehen, meine Trauerphasen zu reflektieren. Es gibt einen Zyklus, den man festsetzen kann. Am Anfang steht das Leugnen, dann die Wut, darauf folgt das Verhandeln, anschließend kommt die Depression und zuletzt die Akzeptanz. Es ist also sehr ratsam seinen eigenen Kompass zu kennen, zu justieren und ihm zu folgen. Kommt man davon ab, ist es überaus wertvoll dies zu erkennen – ich habe es bisher meistens geschafft.
Daneben obliegt mir auch die Trauer von Phileas zu begleiten. Was eine echte Monsteraufgabe ist. Für uns beide, miteinander, mittlerweile kennen wir sie ganz gut. Zurzeit verändert sich diese Aufgabe. Mit jedem Entwicklungsschritt taucht seine Trauer in ein neues Stadium ein. Nachdem es im vergangenen Jahr bei ihm sehr viel Zorn, Wut und Überforderung gab, beginnt nun ein neues Begreifen von Tod. Von Verlust und all den Gefühlen die damit einhergehen. Er kann seine Trauer besser kanalisieren, nicht zuletzt, weil ich ihm immer wieder offen zur Seite stehe und ihn so annehme wie er ist und was er gerade braucht. Viele Fragen, neue und alte, die ich ihm schon oft versucht habe zu erklären, doch auf manche gibt es keine abschließende Antwort. Warum ist die Mama gestorben? Was passiert, wenn ich sterbe? Da kann man nicht viel darauf sagen, eher etwas anbieten, Vorleben und darauf vertrauen das er seine eigenen Antworten findet, die sich dann auch wieder Verändern dürfen. Dann wiederum gibt es leichtere Fragen. Was ist Sehnsucht? Was hat die Mama zu mir gesagt? In dem Punkt sind Rollenspiele für uns ganz Arg wichtig geworden. Dabei staune ich immer wieder, wie Phileas seine eigenen Rituale findet und wie stark er ist. Da findet Heilung statt. Die Trauer muss raus, sie sollte gelebt werden, um Platz zu schaffen für die Freude. Welche dann in noch größerem Ausmaß als früher fließen kann. Bei ihm und bei mir……